UNSERE GESCHICHTE

Die Entwicklung von den „Sogenannten freien Instituten“ zum „Netzwerk Freie Institute für Psychoanalyse und Psychotherapie“

Die Geschichte der Freien Institute beginnt nach dem Krieg und ist in besonderer Weise in der Geschichte der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) e.V. verwurzelt. Das 1946 in München von Felix Scherke (1892-1977) und Max Steger gegründete Institut für Psychologische Forschung und Psychotherapie, die heutige Akademie für Psychoanalyse und Psychotherapie in München, stand mit dem von Harald A. C. Schultz-Hencke und Werner Kemper gegründeten Institut für Psychopathologie und Psychotherapie in Berlin in Konkurrenz um die Rechtsnachfolge und die finanziellen Mittel des früheren Reichsinstituts (Deutsches Institut für psychologische Forschung und Psychotherapie, Leitung: Matthias Heinrich Göring). Die beiden Institute in Berlin und München, sowie das Stuttgarter Institut, waren 1949, zusammen mit der einzigen damals existierenden Fachgesellschaft (Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft, DPG) sowie einzelnen Psychoanalytiker:innen und Gruppierungen in verschiedenen Städten der Bundesrepublik, an der Gründung der damaligen DGPT beteiligt. Die DGPT verstand sich zu diesem Zeitpunkt vor allem als Interessengemeinschaft psychoanalytisch arbeitender Kolleg:innen und Basis für einen Neubeginn der Psychoanalyse in Deutschland nach der Vertreibung und Korrumpierung der Psychoanalyse im Dritten Reich. Neue Institute entstanden aus der DGPT heraus, so beispielsweise das Kölner Institut (IRP-PA). Aus unterschiedlichen (historischen, institutionellen und personellen) Gründen haben sich eine Reihe dieser neugegründeten Institute, einschließlich der bereits vor der Gründung der DGPT bestehenden Institute München (M) und Stuttgart (S), nicht der DPG oder einer der sich später etablierenden Fachgesellschaften angeschlossen. Im Zuge der weiteren Entwicklung wurden diese dann als „nicht-fachgesellschaftsgebundene Institute“ bezeichnet, während sich weitere Fachgesellschaften (Deutsche Psychoanalytische Vereinigung, DPV; Deutsche Gesellschaft für Analytische Psychologie, DGAP; Deutsche Gesellschaft für Individualpsychologie, DGIP) unter dem Dach der DGPT versammelten.

Nach dem Beitritt der neuen Bundesländer (1990) wurden die dort in Berlin (APB), Jena (IPP), Halle (MIP), Leipzig  (SPP), Magdeburg (IPM) und Rostock (IPPMV) gegründeten Institute von der DGPT anerkannt. Sie gehören bis auf das IPM, das sich der DPG angeschlossen hat, der Gruppe der Freien Institute in der DGPT an.

Nach einem intensiven Diskussions- und Klärungsprozess in der Gruppe der Freien Institute und mit der DGPT hinsichtlich einer inhaltlich sinnvollen und konsensfähigen Form des Zusammenschlusses, insbesondere mit Blick auf die Position zur DGPT als Fach- und Berufsverband wurde im September 2019 in die Satzung der DGPT ein neuer Paragraph 8 eingefügt, in dem das NFIP als Interessenvertretung der Freien Institute innerhalb der DGPT verankert und in die Gremien der DGPT eingebunden wird. Darüber hinaus wird darin festgelegt, dass sich das NFIP eine Geschäftsordnung gibt.


Entwicklung gemeinsamer Strukturen

Intensive Bemühungen um die Zusammenarbeit der Freien Institute in der DGPT begannen bereits zur Jahrtausendwende (1999) mit der damaligen Reform des Psychotherapeutengesetzes: Die Sprecher der Freien Institute, Wolfgang Holitzner (Berlin/BIPP) und Erich Limmer (Würzburg/W) mussten damals die Gruppe der Freien Institute im Erweiterten Vorstand der DGPT vertreten ohne sich vorab über deren (differente) berufspolitische Positionen verständigen zu können. Die Sprecher beriefen daher eine Arbeitsgruppe der Beiratsvertreter:innen der Freien Institute mit dem Ziel ein, gemeinsame Positionen zu finden, abzusprechen und in die Entscheidungsgremien der DGPT einzubringen.

Diese erste Arbeitsgruppe der Beiratsvertreter:innen fand großen Anklang. Dadurch ermutigt planten die beiden Sprecher eine Arbeitstagung der Freien Institute, um einen intensiveren berufspolitischen und fachlichen Austausch zu ermöglichen. Im März des Jahres 2001 fand die 1. Tagung im Berliner Institut für Psychotherapie und Psychoanalyse (BIPP) statt. In der Folge der Diskussionen zu dieser Tagung formulierte Heribert Knott (Stuttgart/S) einen bis heute bedeutsamen Vorschlag: Die Gründung institutsübergreifender Intervisionsgruppen für LehranalytikerInnen der Freien Institute. Damit sollte ein Rahmen für die intensive Auseinandersetzung mit den in Lehranalysen auftretenden Problemen geschaffen werden, den es in den Fachgesellschaften schon länger gab. Um institutsinterne Vermischungen und Verwicklungen bei der Diskussion spezifischer Fragen der Lehranalyse und der Beurteilung der Arbeit von Lehranalysand:innen zu vermeiden, kann nur jeweils ein Mitglied eines Freien Instituts an einer Gruppe teilnehmen. Der Vorschlag traf auf großes Interesse bei den Lehranalytiker:innen der Freien Institute, sodass sich in der Folge eine Reihe von Intervisionsgruppen bildeten, die teilweise bis heute in gleicher Besetzung arbeiten. Auf den jährlich stattfindenden Arbeitstagungen finden sich regelmäßig Interessent:innen zu Intervisionsgruppen zusammen – in der Zwischenzeit entstanden auch Intervisionsgruppen für Psychoanalytiker:innen, die nicht in der Lehre tätig sind.

Ein weiterer inhaltlicher Schwerpunkt hat sich mit der AG Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie entwickelt, in der Kolleg:innen aus verschiedenen Instituten des NFIP zusammenarbeiten und regelmäßig eine Veranstaltung zur TP im Rahmen der DGPT-Jahrestagung anbieten.

Auch berufspolitisch wurden verschiedene Projekte verfolgt: So erarbeitete eine 2005 einberufene Arbeitsgruppe Empfehlungen zur Qualifikation und zum Berufungsverfahren von Lehranalytiker:innen und Supervisor:innen der Freien Institute in der DGPT. Auf der 9. Arbeitstagung der Freien Institute (Heidelberg 2010) wurde die Konferenz der Freien Institute gegründet. Sie stellt ein Forum für alle Mitglieder und Aus- und Weiterbildungsteilnehmer:innen der Freien Institute dar, die an fachlichen, strukturellen und berufspolitischen Fragen interessiert sind.

2020 fand die Umbenennung in „Netzwerk freier Institute für Psychoanalyse und Psychotherapie“ mit der Verabschiedung einer Geschäftsordnung statt.


Zum Verhältnis von Struktur und Autonomie

Das Spannungsverhältnis zwischen dem autonomen Status der einzelnen Freien Institute einerseits und der Notwendigkeit der Entwicklung verbindlicher Strukturen und institutsübergreifender fachlicher sowie berufspolitischer Positionen andererseits bestimmt die Zusammenarbeit der Freien Institute seit nunmehr vielen Jahren. Das zugrundeliegende Motto lautet: So viel Autonomie und Individualität wie möglich, so viel Struktur und Gemeinsamkeit wie nötig. Die besondere Form der Zusammenarbeit der Freien Institute mit einer lockeren organisatorischen Struktur erfordert eine aufmerksam gepflegte Dialogkultur zwischen den Instituten und in den Gremien des NFIP. Bei allen unterschiedlichen theoretischen und klinischen Sichtweisen gibt es unter den Freien Instituten in der DGPT ein großes Bemühen um Freiheit und Offenheit in der fachlichen Auseinandersetzung, etwa bei Fragen zur psychoanalytischen Haltung und Behandlungstechnik in den psychoanalytisch begründeten Verfahren. Andere Denkansätze sind wertgeschätzt, ohne mit einer offenen und flexiblen Herangehensweise psychoanalytische Grundhaltungen infrage zu stellen. Durch die dezentralen und an den Aus- und Weiterbildungsrichtlinien der DGPT orientierten Strukturen der Ausbildungsinstitute kann in besonderer Weise auf die Methodenvielfalt der Psychoanalyse und auf die individuellen, persönlichkeitsspezifischen Fähigkeiten und Kompetenzen der Aus- und Weiterbildungskandidat:innen eingegangen werden.

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